DSGVO - Was darf man eigentlich noch? Teil 2

3. Mai 2019 | Dr. Tabea Golgath

Interview mit der praemandatum GmbH

Mit Peter Leppelt und Dr. Michael Koch der praemandatum GmbH, die sich bereits seit 2007 mit dem Thema beschäftigt, habe ich grundlegende Fragen zur Besucher*innen-/Nutzer*innenforschung besprochen. Herausgekommen ist ein kurzer Leitfaden für vor allem kleinere Kultureinrichtungen. 

Teil 2 des Interviews

Wie erreichen wir unsere Besucher*innen?

Zur Verarbeitung von Personendaten, um Informationen digital oder postalisch zu versenden, ist neben der Einholung einer Einwilligung auch ein Konzept für Löschfristen und dergleichen notwendig. Es gibt bereits Datenbanken, die nicht nur Löschfristen aufführen, sondern selbstständig die Löschung von Datensätzen vornehmen. Das Vorhandensein von Backups wird vom Gesetzgeber aktuell ignoriert, weil es hierfür noch keinen Lösungsansatz gibt. Auf Basis der bereits vorhandenen Nutzer*innendaten kann eine Zielgruppendefinition vorgenommen werden. Nicht erlaubt ist jedoch der Profilabgleich mit den Sozialen Medien, aus denen sich auch Vorlieben und Abneigungen ableiten lassen, denn bei diesen Profildaten handelt es sich nicht grundsätzlich um öffentliche Daten. Hier darf also auch keine Anwendung von KI helfen. Wie sehr Algorithmen in der digitalen Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle spielen wird uns klar, wenn wir uns wundern, warum unser mühsam erstellter Content für die Sozialen Medien von Facebook oder Google nur niedrig bewertet wird und deswegen weiter unten oder gar nicht aufzutauchen scheint. Es wird klar: wir müssen unser Publikum kennen und verstehen, was ihm wichtig und unwichtig ist. Für eine erste Aktivitätsauswertung auf der eigenen Website bietet die Open-Source-Webanalytik-Plattform Matomo eine datenschutzrechtlich saubere Alternative zu Google Analytics oder Facebook Pixel. Neben diesen Methoden gibt es im Rahmen des Digitalen Marketing unter Einsatz von KI vielfältige Möglichkeiten, die wir in einem späteren Artikel beleuchten werden.

Wie reagieren unsere Besucher*innen während des Aufenthalts?

In der Besucher*innenforschung beginnt die gewichtige Auswertung von Besucher*innendaten oft erst nach Betreten der Einrichtung, denn eine wichtige Frage ist und bleibt: Funktioniert das Ausstellungskonzept? Wie wirkt das Theaterstück auf die Zuschauer*innen? Wie nimmt der*die Zuhörer*in die einzelnen Konzertelemente wahr? Neben dem reinen Menschenverstand in der Analyse und Bewertung von Kulturformaten sind Nutzer*innenbeobachtungen elementar. Am Beispiel eines Ausstellungsbesuchs lässt sich über die Besucher*innenbeobachtung klären, welche Wege der*die Besucher*in nimmt, wie seine Verweildauer an den Objekten/Stationen ausfällt und wie sein Leseverhalten bei den verschiedenen Ausstellungstexten ist. Diese Methode wird bereits seit langem durch menschliche Beobachter*innen übernommen. Der*die Besucher*in wird am Eingang um sein Einverständnis gebeten und vergisst in den meisten Fällen nach wenigen Minuten, das er*sie beobachtet wird. Mit den aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten lassen sich diese Bewegungs- und Aktivitätsprofile auch anders erheben. Eine Möglichkeit ist die Erfassung der Mobiltelefone durch das hauseigene WLAN. Da jedoch jedem Handy auch eine IP-Adresse zugewiesen ist, lassen sich diese Daten nicht anonymisiert auswerten. Eine neutrale Lösung können an der Kasse ausgegebene Sender im Kleinformat wie RFID-Chips oder mit der entsprechenden Technik ausgestattete Audio- oder Multimedia-Guides sein. Für das Ausleihen dieser Geräte werden keine identifizierbaren Daten erhoben, daher ist die Auswertung unproblematisch.

Das hochspannende Projekt „eMotion – Mapping Museum Experience“ unter Leitung von Prof. Dr. Martin Tröndle an der Zeppelin Universität Friedrichshafen würde zukünftig schärferen Auflagen unterliegen und durch die gesellschaftliche Sensibilisierung auch anders wahrgenommen. „Museumsbesucher*innen, die an dem Projekt teilnehmen wollten, erhielten mit ihrer Eintrittskarte ein Armband, das verschiedene Messgeräte enthielt. Damit wurde u.a. der Weg aufgezeichnet, den der*die Besucher*in ging; wie lange er*sie vor einem Objekt stehen blieb; die Gehgeschwindigkeiten; wann und wie stark er*sie physiologisch angesprochen wurde. Diese quantitative Datenmenge wurde durch individualisierte Befragungen ergänzt, um eine angemessene Interpretation des Datenmaterials zu ermöglichen.“ Solch eine Auswertung würde von so mancher Ausstellung interessieren, weil es eine solide Datenbasis bietet und dadurch erheblich zur Verbesserung einiger Schwachstellen beitragen könnte. Nach der DSGVO werden an die Erfassung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten, also Daten, die auf die physische oder psychische Gesundheit hinweisen, auch mit Einwilligung der Probanden hohe Anforderungen vor allem in Bezug auf die Freiwilligkeit und die Informiertheit gestellt.

Ähnlich kompliziert ist die in einigen Studien angewandte Eye-Tracking-Methode. Mit Eye-Tracking sind Augenbewegungen wie beim Umschauen oder Lesen und die Fixierung von einzelnen Objekten oder Personen gemeint. Bei diesem Prozess werden automatisch personenbezogene Daten wie Gesichtsmerkmale erfasst, die ohne Weiteres identifizierbar sind und daher nicht zu einer anonymisierten oder pseudonymisierten Auswertung herangezogen werden können. Auch wenn eine Kultureinrichtung kein Interesse an diesen Daten hat, werden sie zwangsläufig miterhoben und unterliegen daher scharfen Auflagen.

Eine unproblematische technische Lösung zur Besucher*innenbeobachtung wäre eine Infrarot-Kamera mit geringer Auflösung, so dass in der Aufzeichnung nur Personen, nicht aber biometrische Merkmale erkennbar sind. Hieraus lassen sich Bewegungsprofile und Verweildauer ohne den Einsatz eines*einer menschlichen Beobachter*in ableiten. Eine Auswertung dieser anonymen Daten durch eine Form der Künstlichen Intelligenz ist hier selbstverständlich denkbar und beschleunigt die Prozesse erheblich. Die gleichen Regeln gelten für die Reaktionsanalyse von Besucher*innen aller anderen Kulturformate. 

Peter Leppelt, Geschäftsführer der praemandatum GmbH brachte alle meine Fragen während des Gesprächs wunderbar auf den Punkt: „Es ist oft nicht die Frage, ist die Vorgehensweise mit der DSGVO konform, sondern ist sie ethisch vertretbar.“

Das Interview führte
Dr. Tabea Golgath
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