Zwischenruf – Informationsverarbeitung und Fake News
27. September 2019 | Dr. Tabea Golgath
Wussten Sie, dass unser Gehirn nur Informationen in Verbindung mit Emotionen aufnehmen kann? Wenn Sie etwas sehen oder hören, bewertet Ihr Gehirn die Information und setzt sie mit bereits vorhandenem Wissen und Erfahrungen in Verbindung. Wenn Sie sich langweilen oder Ihnen die Information nichts bedeutet, werden Sie sie direkt wieder vergessen. Hieraus resultiert eine besonders große Erinnerungsleistung bei starken Gefühlen wie Freude oder Abneigung. Sagen wir, Sie haben (unterschwellig) Angst vor einer Übermacht der Technik und Sorge durch Ihre Arbeitskraft oder Kreativität gesellschaftlich nicht mehr relevant zu sein. Sie werden besonders aufmerksam Berichte zu technischen Innovationen aufnehmen, die diese Angst verstärken oder sich beruhigen lassen, durch Berichte von technischen Grenzen, die aktuell unüberwindbar scheinen. Anders verläuft die Input-Auswahl Ihres Gehirns, wenn Sie mit positiven Gefühlen wie Neugierde und Vorfreude technischen Innovationen gegenüberstehen und vor Allem die Möglichkeiten und weniger die Nachteile sehen. Dieses neuropsychologische Verhalten trifft aktuell auf eine schiere Informationsflut.
Paradies oder Robokalypse? | Beitrag ARD
„Echtes Leben“, „Der große Umbruch“, „Paradies oder Robokalypse?“ Das Erste strahlte gleich drei Dokumentationen zum Thema Künstliche Intelligenz aus und beleuchtete dabei völlig verschiedene Umgangsformen mit künstlichem Leben. Der Japaner Akihiko Kondo heiratete im November 2018 das Hologramm Kondo Miku. Dies mag viele Menschen ebenso erstaunen wie die rege Nutzung von Unterhaltungen mit Chatbots wie über die App Replica. Das menschliche Bedürfnis sich mitzuteilen und auch persönliche Erlebnisse jemandem anzuvertrauen trifft hier auf ein geringes Misstrauen gegenüber dem Digitalen. Sascha Lobo weist in seinen Artikeln und Vorträgen auf so manches Extrem hin, wie eine App, in die man Geschlechtskrankheiten und weitere persönliche Daten einträgt, um diese mit seinen Freunden oder der Öffentlichkeit zu teilen.
Trailer „I am Mother”
Immer mehr Diskussionsforen, Tagungen oder Kulturveranstaltungen widmen sich Teilaspekten von KI und stillen damit den offensichtlichen Hunger nach Auseinandersetzung mit dem Thema. In den Kinos wird uns in dem Film „I Am Mother“ die Frage gestellt, ob Roboter menschliche Kinder aufziehen können. Und ob wir das wirklich möchten...
Ein Blick auf den aktuellen Buchmarkt stellt uns vor die Qual der Wahl bei der großen Menge an Ratgebern, Kommentaren, Satiren und Romanen. Es fühlen sich viele Menschen berufen, ihr Wissen zu KI weiterzugeben. Häufig werden hierbei jedoch dieselben Beispiele wiedergegeben und ähnliche Inhalte mit etwas anderen Schwerpunkten diskutiert.

Um sich in der großen Menge an Material zurechtzufinden und nicht auf Fake News hereinzufallen, kommt etwas zum Tragen, das Historiker*innen „Quellenkritik“ nennen. Wer schreibt oder spricht? Welchen Hintergrund/welche Vorbildung hat er/sie? Welche Motive sind erkennbar? Soll bewusst schockiert oder manipuliert werden? Wird ein ganzheitliches, kritisches Bild vermittelt oder scheinen Informationen lediglich gefiltert zu werden? Es gibt mittlerweile sehr viele Ratgeber und Tutorials, um Fake News zu entlarven. Webseiten wie TinEye sollen helfen die Authentizität von Bildern zu bestätigen, in dem sie das Netz nach einem Bild absuchen und andere Verwendungen nennen.
Das Denken und Beurteilen dürfen/müssen wir nach wie vor selbst übernehmen. Dies ist besonders wichtig, weil wir keine Informationssackgasse sind, sondern Teil eines komplexen Informationsnetzwerks. Wie gehen wir mit Informationen um, die wir emotional geleitet aus der Materialflut ausgewählt haben, um sie in unser Gedächtnis aufzunehmen? Wir verbreiten sie weiter.
