Die Republik Užupis
9. August 2019 | Max Haarich

Neben staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren gibt es auch einige nicht-staatliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, die die Verbindung von Kunst- und Technologiewelt vorantreiben. Eine solche Initiative ist die Münchner Botschaft der Republik Užupis.
Die 1997 selbsternannte Republik Užupis ist Litauens größte Kunstbewegung und ein internationales Vorbild für friedliches und tolerantes Gemeinschaftsleben. Das weniger als ein Quadratkilometer große Areal in der Altstadt von Vilnius gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und beherbergt ca. 7.000 Einwohner*innen, davon ein Großteil Künstler*innen. Užupis hat über 500 Botschafter*innen und Ehrenbürger*innen weltweit wie z. B. seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama. Jede*r Botschafter*in hat die Aufgabe Brücken zwischen Menschen zu bauen.
Die Münchner Botschaft der Republik Užupis hat seit 2017 die Aufgabe Brücken zwischen Kunst und Technologie zu bauen mit aktuellem Fokus auf KI. In München ist dies besonders wichtig und wertvoll: München hat erstklassige Forschungseinrichtungen, hervorragende Industriepartner und hochqualifizierte Arbeitskräfte und stärkt zunehmend seine Bedeutung als landes- und weltweiter Innovationsmotor. Die Botschaft von Užupis versteht die Integration von Kunst als Turbolader für diesen Innovationsmotor. Mit humorvollen Workshops, Diskussionen, Ausstellungen und Partys bringt die Botschaft namhafte KI-Experten, rebellische Künstler und hochrangige politische Entscheidungsträger zusammen, um bisher undenkbare Innovationen anzustoßen.

Das verbindende Element für alle Repräsentanten der Republik bleibt die Verfassung von Užupis, die in den Nationalsprachen aller Botschafter auf spiegelnden Edelstahltafeln in der Paupio gatve in Užupiszu finden ist. Aktuell sind es 35 Tafeln und jede Verfassungsenthüllung ist ein Staatsakt für sich. Die estländische Version der Verfassung wurde z. B. vom ehemaligen Präsidenten Estlands Toomas Hendrik Ilves und der damaligen litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaitė enthüllt. Im September 2018 spendete Papst Franziskus einer lateinischen Version der Verfassung seinen Segen.
Diese Verfassung zu lesen fühlt sich an, als würde man den verstaubten Vorhang gesellschaftlicher Aggressionen und Ängste aufbrechen, um plötzlich und unerwartet den liebevollen Kern des Menschseins auf dieser Erde vor sich zu entdecken, auf den man immer gehofft aber an den man kaum noch geglaubt hat. Jeder hat das Recht zu lieben, das Recht einzigartig zu sein. Aber genauso auch das Recht nichts zu Verstehen, das Recht still zu bleiben, das Recht manchmal alle Pflichten zu vergessen. Und niemand hat das Recht, Gewalt auszuüben.
Um den aktuellen Entwicklungen im Bereich KI Rechnung zu tragen, hat die Münchener Botschaft einen Antrag auf Änderung der Verfassung gestellt. Gemeinsam mit dem KI-Experten Alex Waldmann und dem Außenminister Tomas Čepaitis wurde ein Artikel formuliert, der typisch užupisch eine neue Perspektive auf das KI-Thema eröffnen soll. Er lautet: "Jede Künstliche Intelligenz hat das Recht an den guten Willen der Menschheit zu glauben."
Diese Ergänzung der Verfassung soll insbesondere Forscher und Entwickler im KI-Bereich ansprechen, und als Impuls für weiteren Austausch dienen. Daher wurde die Verfassungstafel mit dem zusätzlichen "Munich right" auch an einer ganz zentralen Stelle platziert, an der Außenfassade der Münchner Veranstaltungs-Location, Kantine und Bar "Import Export". Das "Import Export" ist genau wie Užupis ein Ort der künstlerischen Freiheit und der Toleranz. Es liegt im Herzen des Münchener Kreativquartiers, einem Künstler*innenareal, in dem sich zunehmend auch Technologie-Start-ups ansiedeln. Die Verfassung wurde sozusagen genau an der Schnittstelle von Kunst und Technologie platziert. Sie ist die weltweit erste Verfassung mit einem Artikel zu KI und soll das Interesse der "Techis" für Kunst stärken, genauso wie das Interesse der Künstler*innen für KI, in der Hoffnung dass daraus gemeinsame Gespräche, Ideen und Projekte entstehen.
Neben Botschafter S.E. Max Haarich arbeiten sechs Konsuln für die Initiative, darunter der Humanoide ROBOY, der Kinderbücher schreibt und sich um Einbürgerungen kümmert. Damit ist er der erste künstlich intelligente Diplomat der Welt. Die Užupis-Botschaft ist die einzige kunstbezogene Initiative, die sich aktiv an der internationalen Politikgestaltung für KI beteiligt. Durch Vorträge und Publikationen gibt die Botschaft gezielte Impulse zur Einbindung von Kunst und Kultur in der KI-Industrie und Politik. Zu solchen Impulsen zählen neben der oben genannten Verfassungsänderung z. B. das Münchner Manifest für Kunst und Technologie, der Münchner Zusatzartikel für die Verfassung von Užupis oder die Užupis Principles for Trustworthy AI Design.
Um es offen anzusprechen: ja, die meisten Aktivitäten von Užupis und seiner Botschafter*innen können Anfangs albern und suspekt wirken. Die Ziele von Užupis sind jedoch immer ernst und leider mussten in den Anfangsjahren der Republik auch Menschen dafür sterben. Es geht um Freiheit, um die Freiheit der Kunst und um die Freiheit sein Leben nach den Vorstellungen der eigenen Community gestalten zu dürfen. Užupis ist davon überzeugt, dass auch die ernstesten Ziele rücksichtsvoll und humorvoll erreicht werden können. Vielleicht ist dies sogar der beste Weg. Vielleicht sogar der einzige. Daher sollen die Aktivitäten die Republik von Užupis bei aller Ernsthaftigkeit der Ziele immer nahbar, unterhaltsam und gerne auch lustig bleiben. Nur da wo Menschen lächeln, können Entscheidungen zum Wohle aller getroffen werden - Künstliche Intelligenz ist hier keine Ausnahme.