Franz Betz – Absolvent der KI-Schule

19. November 2020 | Interview

Stelle Dich bitte kurz vor.

Franz Betz, Lichtbildhauer. Ich lebe und arbeite in Hannover und Hamburg.

Welche Vorkenntnisse und Erwartungen hattest Du an die KI Schule?

Digitale Themen begleiten mich schon über 30 Jahre. Aus den Anfängen mit textorientierten Bild- und CAD-Systemen ist meine digitale künstlerische Welt immer komplexer geworden. KI als Thema wurde dabei immer präsenter und die KI-Schule bot endlich mal die Gelegenheit, das Thema vertieft zu bearbeiten.

Was waren Deine Erfahrungen in der KI-Schule? Was hat sich von Deinen Vorstellun-gen über KI bestätigt und was wurde widerlegt? Welchen Herausforderungen bist Du im Laufe der KI Schule begegnet?

Überrascht wurde ich von manchen schon sehr perfekten Einzellösungen z. B. im Bereich der Gesichtergenerierung. Der Grat zwischen guten klassischen Datenbankabfragen und einfachen KI-Lösungen ist oft sehr schmal. Interessant, dass sich Vieles noch im Bereich trial and error abspielt und dem künstlerischen Schaffen schon sehr nahekommt.
Die größte Herausforderung bestand tatsächlich im Programmieren, besonders in den Feinheiten und dem Bewerten der Ergebnisse.

Franz Betz im Videointerview

Stelle bitte Dein Projekt in zwei Sätzen vor.

Ich habe im Schuljahr zwei Projekte realisieren können:
Das Projekt „portr_ai_ts” generiert aus Strichzeichnungen von Gesichtern eigene neue Portraitzeichnungen. Diese werden wieder analog auf Flip-Dot-Displays ausgegeben.
Im Team haben wir das „Y-GAN” entwickelt. Anhand von drei neuronalen Netzwerken werden aus architektonischen und malerischen Ausgangsbildern neuen Perspektiven von Fassaden und Straßenschluchten generiert.

Was ist die Motivation hinter Deiner Idee? Warum interessiert Dich dieser Bereich/dieses Thema/diese Anwendung?

Als Lichtbildhauer arbeite ich schon lange an der Schnittstelle zwischen Kunst und Technik, Analogem und Digitalem. Bei der Auseinandersetzung mit dem Digitalen sollen nach Möglichkeit keine riesigen Datenbanken angezapft, oder mittels Bots im Netz recherchiert werden, sondern Menschen sollen die Bilddaten direkt selbst erstellen. Sozusagen Schwarmkunst als Ausgangspunkt und die KI soll als Katalysator diese Daten nutzen. Der Output sollte dann möglichst wieder körperlich, im Analogen sein, also Plotterzeichnungen, 3D-Drucker, Flip-Dots oder auch Roboter, die dieses wieder in die Welt des Haptischen übertragen.

Beschreib bitte die einzelnen Umsetzungsphasen Deines Projektes. Was ist Dein Fazit?

Das Projekt „portr_ai_ts” war als mein Beitrag zur Luminale 2020 im Werkbundforum in Frankfurt gedacht. Ich hatte - im Nachhinein betrachtet - die Komplexität unterschätzt. Da war zum einen die Beschaffung von Strichzeichnungen von vielen Menschen. Dann natürlich deren Digitalisierung und Aufbereitung zur Bearbeitung durch das neuronale Netzwerk. Hier gab es ja schon eine gute Codevorlage durch die KI-Schule, doch die Details der Anpassung sind nicht zu unterschätzen, wenn ein bestimmtes Ziel verfolgt werden soll. Die größte Herausforderung bestand in der Ausgabe auf den Flip-Dot-Displays, beginnend bei der passenden Datenaufarbeitung durch die KI. Die Schnittstelle auf die Mikroprozessoren und die Anzeige auf den gekoppelten Displays musste erst noch von verschiedenen Unterstützern koordiniert werden, was unter dem Zeitdruck nicht einfach war. Wir wurden rechtzeitig fertig und die Installation stand auch am Tag der Eröffnung der Luminale, die dann leider kurzfristig, coronabedingt abgesagt wurde.  

Das zweite Projekt „Y-GAN” lief aufgrund der Erfahrungen beim ersten auch bedeutend besser. Die Idee war es, Zeichnung und Malerei anhand von Architektur zu visualisieren, also die Malschulen der Renaissance Venedig und Florenz zu vereinen. Die Arbeit im Team war natürlich coronabedingt zu Anfang etwas holprig, wir hatten uns dann aber schnell mit Skype und den verteilten Arbeiten vertraut gemacht. Hier galt es zunächst die Idee auf die Umsetzbarkeit zu prüfen, da es hierzu keine Vorlagen gab. Durch die Betreuung hatten wir ein unverzichtbares Backup, so konnten wir uns um die Beschaffung der Bilddaten kümmern. Gesucht wurden perspektivische Fotos und farbintensive Bilder, die wir dann in verschiedenen Konstellationen durch das Netzwerk trainieren ließen. Die ersten Ergebnisse waren etwas ernüchternd, doch im Laufe der Optimierung wurden wir immer euphorischer, welche Bildwelten sich da auf einmal auftaten.

Fazit: Ohne die tatkräftige Unterstützung des Betreuerteams und auch externer Expert*innen wären wir nie zu diesen Ergebnissen in dieser kurzen Zeit gekommen und hätten an einer – oft auch profanen Stelle – aufgeben müssen. Der Gedanke eines Tandems aus Kreativschaffenden und Programmierer*innen ist für den Erfolg eines KI-Projekts sicher ausschlaggebend, nicht zuletzt aufgrund des kreativ prozesshaften und des zielorientierten ingenieurhaften Arbeitsansatzes der Beteiligten.

Die Künstliche Intelligenz ist der Zugang der Kunst in die digitalen Welt, zur Arbeit mit neuen intelligenten Assistenzen. Sie wird Horizonte erweitern und auch gnadenlos Projekte scheitern lassen.

Was ist/war vor der KI-Schule Kunst für Dich? Hat es sich verändert? Kann eine Maschine/ein Algorithmus „echte” Kunst erschaffen?

Sobald die KI eine intrinsische Motivation hat, Kunst zu erschaffen, kann von echter Kunst gesprochen werden. Bis dahin fehlt den neuronalen Netzwerken die Authentizität und auch die Lebensgeschichte, um eigenständig zu arbeiten. Ich sehe in KI die Assistenz, das Werkzeug und manchmal darin auch die Muse.

Welche Spannungsfelder und Potenziale siehst Du im Bereich Kunst/Kultur mit künstlicher Intelligenz? Wie kann KI menschliche Kreativität erweitern/stärken?

Kunst kann das, was Entwickler*innen, Journalist*innen und Kritiker*innen nicht vermögen. Sie kann Bilder schaffen, Räume entstehen lassen, die den Diskurs ermöglichen. Sie muss technisch nicht perfekt sein, nicht politisch korrekt, sie kann lustvoll und bunt sein, oder auch nur disruptiv.

Die Künstliche Intelligenz ist der Zugang der Kunst in die digitalen Welt, zur Arbeit mit neuen intelligenten Assistenzen. Sie wird Horizonte erweitern und auch gnadenlos Projekte scheitern lassen.
Insofern Vorwärts nach Weit.

Franz Betz
Lichtbildhauer