Dominik Bönisch – Absolvent der KI-Schule
29. Mai 2020 | Interview
Stelle Dich bitte kurz vor.
Ich bin Dominik Bönisch, lebe derzeit in Aachen und Düsseldorf und arbeite am Ludwig Forum für Internationale Kunst. Ich bin dort als wissenschaftlicher Projektleiter für das Forschungsprojekt „Training the Archive“ zuständig, welches im Fonds Digital im Programm #KulturDigital der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird und passenderweise untersucht, wie KI eingesetzt werden kann, um museale Sammlungen neu zu erschließen.
Welche Vorkenntnisse und Erwartungen hattest Du an die KI Schule?
Ich hatte keine speziellen Vorkenntnisse zum Thema KI, aber würde behaupten, dass ich eine Affinität zu Computern und neuen Medien im Allgemeinen habe. Meine Erwartung an die Schule war, dass ich Einblicke in die Technik und Funktionsweise von KI erhalte, um besser verstehen zu können, worin der Reiz und der Mehrwert liegen, was KI leisten kann und wo vielleicht Grenzen oder Probleme bestehen.
Was waren Deine Erfahrungen in der KI-Schule? Was hat sich von Deinen Vorstellun-gen über KI bestätigt und was wurde widerlegt? Welchen Herausforderungen bist Du im Laufe der KI Schule begegnet?
Zu Beginn der KI-Schule konnte ich das ganze Thema noch nicht richtig greifen. Ich war auch schnell bei dem Gedanken, dass KI ein Allheilmittel ist und einfach vieles von „allein“ machen kann, aber dem ist überhaupt nicht so. Es muss quasi alles beigebracht werden, was ja auch gut ist, denn dann bleibt der Mensch beteiligt. Allerdings zeigt sich so auch, wie eingegrenzt KI ist und handelt. Was mir sehr geholfen hat, war, die Herangehensweise der Tutoren zu erleben. Eben dieses Ingenieurhafte, dass die einzelnen Bestandteile der KI wie ein Puzzle zusammengesteckt werden und dann Schritt für Schritt die Kette der Algorithmen und Befehle wächst. Das ist schon beeindruckend und bleibt dabei aber auch so schön spielerisch. In der Theorie ist erst einmal alles möglich und die spannenden Fragen kommen auf, wenn man dann programmiert. Mir ist daneben in der KI-Schule auch noch deutlich klar geworden, wie wichtig und essentiell das Zusammentragen guter und vor allem vielfältiger Daten z.B. für das Trainieren von KI ist. Darauf werde ich für meine künftige Arbeit sehr penibel achten.
Stelle bitte Dein Projekt in zwei Sätzen vor.
Mich interessiert in meiner Arbeit, wie KI helfen kann, im Museum den Kurator*innen und Wissensmitarbeiter*innen neue Impulse und Inspirationen im Umgang mit der eigenen Sammlung zu geben. Dabei sollte im Projekt untersucht werden, ob KI museale Bilddaten von Kunstwerken sortieren und in sogenannte Cluster zusammenstellen kann, wodurch vielleicht neue Verbindungen und Assoziationen entstehen, die wir so nicht denken oder aufgrund der Fülle an Daten nicht mehr im Blick haben können.
Was ist die Motivation hinter Deiner Idee? Warum interessiert Dich dieser Bereich/dieses Thema/diese Anwendung?
Während meines Volontariats bin ich oft darauf gestoßen, dass bei der Bearbeitung der Sammlung immer die gleichen Namen von Künstler*innen genannt wurden und ich dachte mir: „Da ist doch noch viel mehr!“ Ein Wissen, das nur bei einigen hochspezialisierten Mitarbeiter*innen am Haus vorliegt. Also beschäftige ich mich nun im Rahmen meiner Forschung damit, wie die Recherche und der Zugang zu Sammlungen und Archiven durch KI unterstützt werden kann. Dabei soll der Mensch nicht abgelöst, sondern vielmehr versucht werden, die Erfahrungen und das Wissen der Expert*innen auch mit einzubringen und ein Werkzeug zu erhalten, was über den Tellerrand und neu auf die Sammlung blicken lässt. Das kann später auch als eine explorative Anwendung für Besuchende zum spielerischen Entdecken der Sammlung des Museums zugänglich gemacht werden.
Beschreib bitte die einzelnen Umsetzungsphasen Deines Projektes. Was ist Dein Fazit?
Nachdem ich mit den Tutoren die Idee besprochen habe und wir einen ersten Fahrplan gemacht haben, ging es darum, Daten von sehr vielen Kunstwerken zu finden, mit denen ich das Projekt simulieren und erproben kann. In meinem Fall bin ich bei der dänischen Nationalgalerie (Statens Museum for Kunst) fündig geworden, die ihre digitalisierte Sammlung über eine freie Schnittstelle im Netz anbietet. Im nächsten Schritt galt es, das eigentliche Modell aufzubauen, welches ermöglicht, die Kunstwerke bzw. die Bilddaten zu sortieren und in Cluster zu unterteilen. Wir haben dazu bereits trainierte neuronale Netzwerke genutzt, die für die Objekt- und Mustererkennung in Bildern aufgebaut worden sind. Wir haben uns die Fähigkeit dieser Netze zunutze gemacht, Eigenschaften, sogenannte Features, in Bilddaten zu erkennen und danach ein System der Sortierung und des Ordnens aufzubauen. Mir war wichtig, dann aber nicht schon aufzuhören, sondern jetzt den Menschen wieder einzubeziehen. Jene Expert*innen, die sich auskennen und genau wissen wie man Kunst in Zusammenhang zueinander bringt bzw. zueinander sortiert, sei es aus einer kunsthistorischen oder ikonologischen Sicht oder vielleicht aus einem ästhetischen Empfinden heraus. Daher haben wir untersucht, ob wir die Cluster verändern können, indem wir die KI nachtrainieren und zwar auf Assoziationen und Verknüpfungen, die der Mensch vorgibt. Im Projekt habe erstmal nur ich die nötigen Trainingsdaten erzeugt, immerhin 2.000, und das Training ist auch noch nicht vollständig erfolgreich verlaufen, aber es ist erkennbar, dass die KI versucht eine Logik aus meinem assoziativen Bauchgefühl zu erkennen und daran können wir weiterarbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch mehr Proband*innen beim Training unterstützen, sodass das KI-Modell besser in der Zusammenstellung von Kunstwerken wird.
Was ist/war vor der KI-Schule Kunst für Dich? Hat es sich verändert? Kann eine Maschine/ein Algorithmus „echte” Kunst erschaffen?
Die Frage, was Kunst ist, ist natürlich ein weites Feld. Niklas Luhmann hat gesagt, dass es ein Ergebnis einer gezielten menschlichen Tätigkeit sei, die keine gesonderte Funktion hat – also der Mensch ist bei der Entstehung von Kunst ausschlaggebend. So verstehe ich auch das Verhältnis von KI und Kunst. Es kann ein Werkzeug sein, sich neue Räume zu erschließen oder Grenzen zu erweitern, aber viel Kreatives sehe ich allein bei der Maschine noch nicht. Neue Inhalte können zwar mit den sogenannten Generative Adversarial Networks (GAN) erzeugt werden, aber auch da ist es der Mensch, der die Daten für das Training eingibt und den Prozess steuert. Ich empfinde es trotzdem als sehr spannend und wichtig, dass sich Künstler*innen der Technik und der Programmierung annehmen und ich persönlich freue mich, nun auch mehr zu verstehen, wie das von der technischen Seite aus funktioniert.
Welche Spannungsfelder und Potenziale siehst Du im Bereich Kunst/Kultur mit künstlicher Intelligenz? Wie kann KI menschliche Kreativität erweitern/stärken?
Bei KI sehe ich ganz klar die ethischen Schwachstellen, die vollautomatisierte Systeme mit sich bringen. Hier gibt es ja etliche Beispiele, dass es zu Verzerrungen, zu sogenannten Bias kam, wenn die Daten nicht divers genug sind und dadurch Personengruppen ausgegrenzt oder schlechter gestellt werden. Die Kunst sollte da immer den Finger in die Wunde legen und auf die Missstände aufmerksam machen. Ein Beispiel fällt mir dazu ein: Die Forschungsgruppe „Forensic Architecture“ (Goldsmiths, University of London) hat sich die Möglichkeiten der Bilderkennung von KI zunutze gemacht, um auf Pressefotos und anderem Bildmaterial aus Krisenherden wie z.B. an der amerikanisch-mexikanischen Grenze oder in Gaza den Einsatz eines gefährlichen Tränengases gegen Zivilisten zu beweisen, indem die entsprechenden Kanister durch die KI auf Fotos erkannt werden. Das ist schon toll, die Technik so zu gebrauchen.