Max Eichner – Absolvent der KI-Schule
5. Juni 2020 | Interview
Stelle Dich bitte kurz vor.
Ich heiße Max Eichner, wohne in Barsinghausen und bin von Beruf Grafik-Designer und Webentwickler.
Welche Vorkenntnisse und Erwartungen hattest Du an die KI Schule?
Vorkenntnisse waren meine allgemeine Erfahrung mit IT und Programmierung. Meine Erwartung: Lernen, wie KI/Deep Learning funktioniert. Und darauf aufbauend in der Lage zu sein, eigene kreative Projekte umsetzen zu können.
Was waren Deine Erfahrungen in der KI-Schule? Was hat sich von Deinen Vorstellun-gen über KI bestätigt und was wurde widerlegt? Welchen Herausforderungen bist Du im Laufe der KI Schule begegnet?
Meine Erfahrungen in der KI-Schule waren sehr positiv. Ich fand die Online-Vorlesungen und Colab-Notebooks sehr gut, die Tutoren sympathisch und ich mochte die Präsenztage sehr. Auch der interessante Mix von Teilnehmer*innen aus verschiedensten Bereichen war großartig. Schade war natürlich der Corona-Lockdown und der dadurch fehlende direkte Austausch.
Meine Vorstellungen von KI:
Ich habe vor der KI-Schule eher die Intelligenz in der KI gesehen. Jetzt sehe ich vor allem die selbstlernenden Prozesse, die mit Intelligenz nicht so viel zu tun haben, eher mit Training, Anpassung und Optimierung. Fasziniert bin ich dennoch von den kreativen Möglichkeiten, vor allem im Bereich der Bildgenerierung.
Herausforderungen:
Das Arbeiten mit Google Colab ist wirklich gewöhnungsbedürftig, wenn man andere Programmierumgebungen kennt. Oft kryptisch, umständlich und unberechenbar, es kommt immer wieder zu Abbrüchen… Es dauerte etwas, bis ich da durchblickte.
Ich fand auch den Umgang mit Tensorflow schwierig, besonders als ich begonnen habe, auf eigene Faust Dinge auszuprobieren. Der Übergang von Tensorflow 1 zu 2 gestaltete sich als kompliziert. Ich habe unendlich viele Tutorials gesehen, die mir allerdings oft nicht halfen, weil sich die Bibliotheken auf denen die Codes aufbauten geändert hatten oder die nur mit Tensorflow 1.14, aber nicht 1.15 gingen und oft viel Anpassungsarbeit erforderten. Ich erhielt Fehlermeldungen ohne Ende… Auch wenn Python eine ziemlich smarte Sprache ist, die Python-Umgebung habe ich als sehr instabil empfunden. Das kannte ich vorher so nicht.
Stelle bitte Dein Projekt in zwei Sätzen vor.
Ich habe an zwei Projekten gearbeitet:
Projekt 1: „Schinkel entdecken – in einem KI-3D-Raum“
Hier ging es darum, ca. 6.000 Werke von Karl Friedrich Schinkel von einer KI (Inception, trainiert auf ImageNet) zu klassifizieren und auf ihre visuelle Verwandtschaft hin untersuchen zu lassen. Daraus wurden räumliche Koordinaten berechnet, mit denen die Arbeiten in einem 3-dimensionalen Raum positioniert worden sind. Dieser Part wurde mit WebGL realisiert und das Ganze als eine Browseranwendung umgesetzt. Man kann sich den fertigen Raum als große Bildwolke vorstellen, in der man sich als Nutzer/Betrachter bewegen und auf Entdeckungstour gehen kann.
Projekt 2: „Y-GAN“
Der "Y-GAN" ist ein experimenteller GAN-Netzaufbau mit einem Generator und zwei Diskriminatoren, die auf unterschiedliche Datensätze trainiert wurden. Diskriminator 1 konzentriert sich auf zentralperspektivische Fotografien in schwarz-weiß, Diskriminator 2 auf Farbfeldmalerei. Die Frage war, ob es gegenseitige Störungen oder Synthese geben wird. Die Ergebnisse zeigten, dass die Synthese funktionieren kann und faszinierende neue Bilder herauskommen.
Was ist die Motivation hinter Deiner Idee? Warum interessiert Dich dieser Bereich/dieses Thema/diese Anwendung?
Projekt 1, Schinkel:
Mich interessierte bei diesem Projekt die Verbindung zweier aktueller Technologien zu einer innovativen Präsentationsform, die Nutzung von KI zur Sortierung und Gruppierung von Bildern, eine KI-gestützte Hilfe bei der Orientierung in größeren Datenmengen, die Schaffung einer neue Userexperience und die Frage, ob sich daraus weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben könnten.
Projekt 2, Y-GAN:
Bei Y-GAN überwog die Faszination für GANs als generative Werkzeuge der Bilderstellung. Zudem hatte ich Interesse an visuellen Mischformen und der Frage, kann man unterschiedliche Bildwelten über neuronale Netze verbinden, um daraus etwas Neues zu schaffen?
Forschungsdrang und Spieltrieb motivierten mich gleichermaßen.
Beschreib bitte die einzelnen Umsetzungsphasen Deines Projektes. Was ist Dein Fazit?
Projekt 1, Schinkel:
Ganz kompakt: Data-Scraping (Bilder und Bildinformationen), Klassifizierung, Vektorengenerierung, Umrechnung in Koordinaten mit TSNE, Bildaufbereitung für Texture-Maps, 3D-Programmierung, Lösen von Spezialanforderungen: Navigation im Raum, HighRes-Image laden, Funktion „Show Neighbours“.
Mein Fazit: Das Erkennen optischer Verwandtschaft und räumliche Anordnung klappt sehr gut bereits „out of the box“. Die begriffliche Klassifizierung ist teilweise ungenau und grob und erfordert ein Nachtraining auf den Schinkel-Datensatz.
Projekt 2, Y-GAN:
Die 2-Diskriminatoren-Architektur eines Y-GAN erzeugt vielversprechende Ergebnisse und lädt zu weiteren Experimenten mit anderen Trainingsdaten ein.
”Jede Kunstform hat ihre spezielle Technologie und ihren spezifischen Ablauf. Bei KI sehe ich die Innovation vor allem in dem dialogischen Prozess.
“
Schinkel entdecken – in einem KI-3D-Raum
Was ist/war vor der KI-Schule Kunst für Dich? Hat es sich verändert? Kann eine Maschine/ein Algorithmus „echte” Kunst erschaffen?
Vor dem Kurs war KI für mich etwas eher mystisches, leicht unheimliches, – auch durch KI-generierte Kunstwerke, die ich bis dahin gesehen habe. Durch das „Selber-machen“ begreift man die Möglichkeiten aber auch die Grenzen der Technologie besser. Vieles hängt von den gesetzten „Umgebungsvariablen“ wie Parameter und Trainingsdaten ab. Ich sehe jetzt mehr das Werkzeug als die Blackbox, auch wenn es nach wie vor noch viele Bereiche gibt, die ich nicht bis ins Detail durchdrungen/verstanden habe, weil sie auch einfach mathematisch zu komplex für mich sind, um sie ganz zu begreifen. Unterm Strich gibt es aber immer wieder überraschende Ergebnisse.
Kunst erschaffen? Es ist ja immer der Mensch, der das Experimentierfeld aufbaut, in dem sich die KI austobt. Insofern ist es nicht der Algorithmus selbst, der aktiv wird und der Kunst erschafft, sondern ein*e Künstler*in oder Wissenschaftler*in, der*die den Algorithmus in einer bestimmten Absicht oder Erwartung anwendet. Wie in jedem bildererzeugenden Verfahren gibt es einen spezifischen kreativen Prozess, das ist hier genauso, als ob ein*e Maler*in Pinsel und Farbe einsetzt oder jemand eine Videoinstallation aufbaut. Jede Kunstform hat ihre spezielle Technologie und ihren spezifischen Ablauf. Bei KI sehe ich die Innovation vor allem in dem dialogischen Prozess, also, der*die Künstler*in gibt einen Rahmen vor, die KI agiert darin, der*die Künstler*in modifiziert das Setting in eine bestimmte Richtung, die KI agiert wieder etc. Also eine Art Wechselspiel, bei der die KI eine gewisse Autonomie hat. Darin sehe ich etwas Neues. Und auch die Zusammenarbeit von Kulturschaffenden mit Wissenschaftler*innen, Neurowissenschaftler*innen, Mathematiker*innen, die die Technik der neuronalen Netze überhaupt erst zur Verfügung stellen, ist etwas Neues und Spezifisches für KI-Kunst.
Insofern: klar kann daraus Kunst, auch „echte“ Kunst, entstehen.
Welche Spannungsfelder und Potenziale siehst Du im Bereich Kunst/Kultur mit künstlicher Intelligenz? Wie kann KI menschliche Kreativität erweitern/stärken?
Ich sehe großes Potenzial, diese Technik fordert ja ihren kreativen Einsatz geradezu heraus. Und durch Plattformen wie „Runway ML“, die KI auch ohne Programmierkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, werden sich bald viele Menschen an diesem kreativen Prozess beteiligen können.
Es werden in den nächsten Jahren mit Sicherheit viele neue Anwendungsfelder im Kulturbereich entstehen, alleine in der Film- oder Spieleentwicklung und in der Kunst. Die Spannungsfelder sehe ich eher im Politischen und der wirtschaftlichen Anwendung der KI-Technologien: zunehmend autonome Maschinen, Überwachungssysteme, Verhaltensanalyse, Übernahme von verschiedenen menschlichen Berufsfeldern (Industrie, Serviceberufe…) durch KI. Dies kann man dann auch künstlerisch mit KI thematisieren.
Ich kann mir auch vorstellen, dass es bald zu einer Flut von KI-generierter Kunst oder „Bildmaterial“ kommt, wenn die Technologie immer leichter bedienbar wird. Die ersten Smartphone-Anwendungen sind ja schon länger da. Also, ich erwarte sehr viele „populäre“ Anwendungen. Da muss die Kunst gucken, wie sie sich abgrenzt. Es kann auch sein, dass wir in ein paar Jahren wieder eine Aufwertung des „Handwerks“ bekommen. Aber jetzt läuft die KI-Party erstmal. Und überrascht immer wieder.