Sonja Köster – Absolventin der KI-Schule
12. Juni 2020 | Interview
Stelle Dich bitte kurz vor.
Mein Name ist Sonja Köster. Ich wohne momentan in Bremen und arbeite beim Nordwestdeutschen Museum für IndustrieKultur in Delmenhorst, kurz: auf der Nordwolle.
Welche Vorkenntnisse und Erwartungen hattest Du an die KI Schule?
Ich hatte mich vor der Schulung kaum mit KI auseinandergesetzt. Natürlich waren Siri und Alexa mir ein Begriff, automatisierte Werbung im Internet, Sprachübersetzer und Nachrichten über entwickelte Roboter nicht unbekannt. Allerdings habe ich vorher nicht hinterfragt, wie genau das funktionieren könnte. Programmieren konnte ich vorher überhaupt nicht.
Erwartet habe ich, dass ich ein grundsätzliches Verständnis davon bekomme, was hinter dem Wort „KI“ steckt und wie Künstliche Intelligenz funktioniert. Da KI und Kultur für mich vorher recht wenig miteinander zu tun hatten, ging ich ohne konkrete Erwartungen und gespannt auf neue Möglichkeiten und Chancen in die Schulung. Besonders reizvoll war natürlich, dass am Ende eigene Projekte erarbeitet werden sollten, wodurch am Ende was „Eigenes“ bleibt.
Was waren Deine Erfahrungen in der KI-Schule? Was hat sich von Deinen Vorstellun-gen über KI bestätigt und was wurde widerlegt? Welchen Herausforderungen bist Du im Laufe der KI Schule begegnet?
Vor allem habe ich sehr vieles gelernt. An vielen Stellen steckt KI dahinter, wo ich es vorher gar nicht erwartet habe. Zudem habe ich jetzt eine genauere Vorstellung, was KI überhaupt ist und dass dieser Begriff auch nicht ganz leicht und eindeutig zu verwenden ist. Es gibt viele verschiedene Arten von künstlicher Intelligenz, bzw. verschiedene Einsatzbereiche und auch Definitionen. Eine der Fragen, die ich mir regelmäßig in den Aufgaben der Schulung gestellt habe, lautet: „Ist das jetzt KI oder einfach nur ein Algorithmus?“ Eigentlich hinterfrage ich immer noch, was genau die KI darin ist und wo genau die künstliche Intelligenz denn anfängt.
In meinem Projekt musste ich meine eigenen Einstellungen hinterfragen. Im Museum möchte man immer gerne mit Originalen arbeiten und „authentische“ Geschichten zeigen. Mit meinem Projekt wird das Original verändert und es entstehen neue Bilder. Allerdings hatte ich die Vorstellung, dass mit ähnlichen Ergebnissen, quasi einer „so hätte es ausgesehen haben können Ansicht”, auch Rekonstruktionen und neue Bilder beim Verständnis von Geschichte helfen können.
Stelle bitte Dein Projekt in zwei Sätzen vor.
Die KI lernt anhand von zwei Bild-Datensätzen die aktuelle und historische Nordwolle (das Gelände der ehemaligen Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei in Delmenhorst) kennen. Dazu nimmt die KI die Bilder kleinschrittig auseinander und setzt sie wieder zusammen. Indem die Bilder mit den Informationen des jeweils anderen Datensatzes zusammengesetzt werden, wird das ursprüngliche Bild weiterentwickelt, bzw. es entstehen neue Bilder von der Nordwolle.
Was ist die Motivation hinter Deiner Idee? Warum interessiert Dich dieser Bereich/dieses Thema/diese Anwendung?
Bilder helfen mir persönlich immer Geschichte und Kontexte besser zu verstehen und machen die Geschehnisse viel erlebbarer und interessanter. Leider ist die Datenlage an historischen Bildern nicht immer so gut, wie Historiker*innen und Museumsmitarbeiter*innen es gerne hätten. Die ursprüngliche Idee entstand daraus, dass mit Hilfe der KI „so hätte es ausgesehen haben können“-Bilder erzeugt werden können, die dann dem Publikum die erzählte Geschichte auch bildlich besser verständlich machen könnten. In meinem Projekt mit reduziertem Umfang (aufgrund begrenzter Datenmengen und personellen und zeitlichen Ressourcen) sollten dann zum Beispiel von aktuellen Ansichten neue erzeugt werden, die zeigen, wie es damals ausgesehen haben könnte. Mit mehr Daten und mehr als nur zwei Datensätzen hätte man dann die jeweiligen Ansichten zu allen oder zu gewünschten Zeitspannen herausgeben können.
Beschreib bitte die einzelnen Umsetzungsphasen Deines Projektes. Was ist Dein Fazit?
Angefangen hat alles mit der Formulierung eines Ziels: Eine Zeitreise auf der Nordwolle, bei der Bilder von der KI in verschiedenen Zeiten rekonstruiert werden. Also werden die Bilder entweder als geschichtliche Ansicht oder als aktuelle Ansicht ausgegeben. Danach haben wir uns die technische Umsetzung überlegt und uns für den Autoencoder, ein künstliches neuronales Netz, entschieden. Zum Testen der Idee haben wir direkt die Grundstruktur mit einem Autoencoder und zwei Decodern gebaut und einen Architektur-Datensatz darauf trainiert. Parallel habe ich zwei Datensätze mit Bildern von der Nordwolle erstellt. Leider waren die Datensätze mit jeweils etwa 130 Bildern sehr klein, weshalb die Ergebnisse sehr verschwommen waren. Nachdem wir auch nach dem Anpassen des Modells keine große Verbesserung festgestellt haben, haben wir den vorhandenen Datensatz verändert. Dazu haben wir etwas in den Code eingefügt, dass die KI die Bilder in mehrere einzelne Bilder auseinandernimmt, wodurch wir dann zwei Datensätze von jeweils über 2.500 Bildern hatten und die KI dann mehr Details trainieren konnte.
Anschließend haben wir eine Funktion eingebaut, womit komplett neue Bilder mit den beiden Decodern rekonstruiert werden, sprich es entsteht jeweils eine aktuelle Version des Bildes und eine „historische“ Version.
Als erstes Fazit daraus ziehe ich, dass eine KI auf eine unglaublich große Datenmenge angewiesen ist, damit gute Ergebnisse herauskommen. Zudem sind meine Datensätze relativ ähnlich, was der KI das Lernen der Unterschiede und Details zusätzlich erschwert. Bei einem so kleinen und ähnlichen Datensatz besteht die Gefahr, dass die KI die Bilder anders versteht und andere Merkmale hervorhebt, als ich es tun würde. Bei mir hat die KI die Bilder dann nur bruchstückhaft wieder zusammengesetzt, einmal mit Farbtupfern und einmal in schwarz-weiß, da der Farbunterschied am einfachsten zu erlernen ist. Als zweites Fazit ziehe ich aus der Arbeit mit meinem Projekt, dass man nicht unbedingt die Ergebnisse bekommt, die man vielleicht erwartet hat, da die KI nicht unbedingt auf die gleiche Weise denkt und nicht das gleiche Vorwissen hat, mit dem ein Mensch die Bilder in ihrem historischen oder aktuellen Kontext betrachtet.
Was ist/war vor der KI-Schule Kunst für Dich? Hat es sich verändert? Kann eine Maschine/ein Algorithmus „echte” Kunst erschaffen?
Kunst ist für mich schon immer sehr vielfältig gewesen. Für mich ist Kunst mehr als nur das, was im Museum hängt, so können auch zum Beispiel kurzweilige Inszenierungen für mich Kunst sein. Für mich war Kunst immer von Personen geschaffen, oftmals mit gesellschaftlichem Bezug (oft auch kritisch) und sehr persönlich. Ich habe vorher nie wirklich darüber nachgedacht, ob eine Maschine Kunst erstellen könnte. Durch die Schulung stehe ich dieser Idee allerdings positiv gegenüber. Ich glaube, dass es für eine Maschine ein sehr weiter Weg ist, da die KI sehr viel lernen muss, um nicht nur zu kopieren oder zu kombinieren, wie beim Style Transfer oder beim Filtern, wie viele sie aus Smartphone-Apps kennen. Bis die KI selbst eigene Produkte erstellt, muss Sie also mehr als nur das Bekannte kennen, sondern auch abstrahieren und Neues schaffen. Allerdings steht auch da immer ein Mensch dahinter, der durch Veränderungen in Codes und Variablen die Ergebnisse beeinflussen kann und damit an der Schaffung der Kunst beteiligt ist. Doch habe ich in der Schulung gelernt, dass manchmal die Ergebnisse schon anders sind als erwartet und dadurch nicht das entsteht, was der Mensch vielleicht geplant hatte. Für mich ist KI-Kunst ein Ergebnis aus dem Zusammenspiel von Maschine und Mensch, eine Art Co-Autorenschaft.
Welche Spannungsfelder und Potenziale siehst Du im Bereich Kunst/Kultur mit künstlicher Intelligenz? Wie kann KI menschliche Kreativität erweitern/stärken?
Ich glaube, dass mit Hilfe der KI Künstler*innen und Kulturschaffende einige Ideen umsetzen können. Die KI „denkt“ anders als wir Menschen, daher kann es auch überraschende Ergebnisse geben, die dann den Horizont erweitern und zu wiederum neuen Ideen führen. Gleichzeitig habe ich in der Schulung gelernt, dass Programmierer*innen manchmal nicht nachvollziehen können und müssen, wie die KI zu den Ergebnissen kommt. Daher heißt ein Arbeiten mit der KI auch ein Stück Kontrollabgabe und nicht alles selbst zu bestimmen. Gleichzeitig entstehen dadurch vielleicht auch „falsche“ Ergebnisse und Unzufriedenheit oder positive Überraschungen. Allerdings sehe ich KI momentan noch mehr in einer Art freien ausführenden Position als bei der kreativen Ideenfindung. Die große Frage bleibt für mich aber: „Ist es jetzt die Kunst des Menschen oder die der KI?“
Für KI im Kulturbereich sehe ich große Chancen, zum Beispiel durch individuelle Vermittlungsmöglichkeiten, kreative Teilhabe oder Hilfe in der Organisation von Sammlungen. Allerdings muss der Aufwand, was die Menge an Daten betrifft, berücksichtigt werden.