(Sozialer) Roboter im Museum - Brauchst du Hilfe?
12. April 2019 | Dr. Doreen Hartmann

Die Tatsache, dass Roboter und Künstliche Intelligenz in Zukunft einen immer größeren Platz im Alltag einnehmen werden, wirft die Frage auf, wie dieses Zusammenleben mit künstlich-intelligenten Systemen aussehen kann? Wie sollten robotische Assistenten gestaltet sein, damit wir mit ihnen auf der Arbeit und im Privatleben interagieren wollen? Gibt es eine soziale Beziehung zwischen Mensch und Maschine und welche Wesenszüge und Verhaltensweisen wollen, können oder müssen wir Robotern übertragen (oder eben nicht), damit wir uns in ihrer Gegenwart wohlfühlen? Wie menschenähnlich sollten soziale Roboter sein?
Das Museum ist ein guter Ort, um solchen Fragestellungen nachzugehen und um zu erproben, wie unterschiedliche Formen der Mensch-Maschine-Interaktion ablaufen und gestaltet werden können. Der Museumsbesuch kann Menschen an diese Technologie heranführen und so einerseits helfen, Ängste und Vorurteile abzubauen, andererseits aber auch zum Nachdenken und Hinterfragen anregen.
Roboter – unheimlich freundlich!?
Unsere Vorstellung von KI und Robotik wurde in den letzten 100 Jahren maßgeblich durch das Science-Fiction-Genre geprägt. Dort zeigen sich zwei Tendenzen robotischer Systeme; sie werden als Gefährten oder Gefahr dargestellt: Denken wir an C-3PO oder R2-D2 aus „Star Wars” vs. T-800 aus „Terminator” oder WALL·E vs. HAL 9000 aus „2001: Odyssee im Weltraum”.
In ihrer äußerlichen Gestaltung finden die humanoiden, eher freundlich gesinnten Roboter ihr Äquivalent in den Service-Robotern, die wir auch im Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) einsetzen, beispielsweise PETER & PETRA oder auch Pepper. Nicht selten haben diese sozialen Roboter eine bewusst putzige Gestalt, die Entzücken hervorruft: im Kindchenschema, als kleingewachsene Gestalten mit leicht geneigtem, übergroßem Kopf, netten Gesichtern und Kulleraugen. Sie sollen positive Emotionen hervorrufen. Ihr Äußeres ist mit so großem Abstand zum Menschen gestaltet, dass sie keinesfalls den Eindruck erwecken, eine Imitation desselben zu sein.
Demgegenüber stehen robotische Systeme, die bewusst mit nahezu perfekter Menschenähnlichkeit gestaltet sind. Sie haben eine Silikonhaut und Haare, sie lächeln, sie zwinkern, sie scheinen zu atmen und sie reden mit einer menschlichen Stimme. Diese Humanoiden wirken bisweilen wie echte Menschen, wie unsere Nadine.
Bis zu einem gewissen Grad wirken Roboter in menschenähnlicher Optik sympathisch. Der Mensch kann zu ihnen eher eine Bindung aufbauen und mit ihnen interagieren als mit abstrakt gestalteten Systemen. Wird ihre äußere Gestalt allerdings zu realistisch, so sinkt die Akzeptanz. Unabhängig davon, ob sie in ihrer Funktion als Gefahr oder Gefährten wahrgenommen werden, können stark menschenähnliche Gestalten bedrohlich wirken; sie stoßen auf Ablehnung statt Sympathie zu erzeugen. Das ist ein seit den 1970er Jahren bekanntes, wissenschaftlich bearbeitetes Phänomen, das unter dem Begriff “Uncanny Valley” bekannt ist und auch in der Computeranimation auftritt. Beim Betrachter bewirken in höchstem Maße realistisch gestaltete, aber eben künstliche und nicht völlig vom Menschen unterscheidbare Roboterfiguren ein starkes Störgefühl. Statt positiv darauf zu reagieren, empfinden sie viele Menschen als befremdlich oder gar unheimlich.
Museum als Erfahrungs- und Forschungsraum
Diese divergenten Reaktionen auf unterschiedliche Robotertypen können wir im HNF täglich an unseren Besucher*innen beobachten. Große Publikumsmagnete sind PETER und PETRA, die jeweils auf einer Etage unserer Dauerausstellung den ganzen Tag selbstständig, aber auf exakt bestimmten Wegen fahren. PETER bietet für jüngere Besucher*innen ein Quiz zur Ausstellung an und PETRA lädt sie zu einem einfachen Versteckspiel ein. Die Interaktionsmöglichkeiten mit beiden Robotern bewegen sich auf einem recht einfachen und schematischen Level: Besucher*innen bedienen sie über einen Touchscreen und die beiden bewegen sich daraufhin zu einem bestimmten Exponat und geben per Sprachausgabe in zuvor festgelegten Sätzen Auskunft. Gleichwohl ist es gerade diese Verlässlichkeit und einfache Funktionalität, die die Besucher*innen erfreut. Berührungsängste existieren kaum. Ihr zudem freundliches und individuell gestaltetes Aussehen bietet eine gute Möglichkeit, Besucher*innen spielerisch Informationen zu Exponaten zu geben und sie auf Dinge hinzuweisen, die sonst ungesehen bleiben würden.

Anders verhält es sich mit Nadine, die als Servicepersonal inszeniert hinter einem Tresen positioniert ist. Erschrockene Gesichter, dass da ein Mensch sitzt, der dann doch keiner ist, und Sätze wie „Die sieht gruselig aus” sind keine Seltenheit. Und gleichzeitig zeigen die Besucher*innen auch Spaß daran, mit Nadine in einen freien Dialog zu treten. Diese hohe Form der Interaktion mit einem Exponat anbieten zu können und Technik auf diesem Wege museal erfahrbar zu machen, erfreut Ausstellungsmacher*innen. Doch es ist eine hohe Hürde, Robotern das Sprechen beizubringen: Mit Künstlicher Intelligenz und schnellem Internetanschluss im Hintergrund ist zwar technisch schon vieles möglich, doch wenn das Gespräch zwischen Mensch und Maschine nicht ganz so reibungslos funktioniert, wie man es ob Nadines menschenähnlicher Gestalt annehmen würde, wird daraus ein weiterer Minuspunkt der Begegnung. Die Besucher*innen erwarten, dass diese humanoiden sozialen Roboter alles verstehen (unabhängig davon, wie deutlich die Frage gestellt wurde oder wie hoch die Umgebungsgeräusche sind), dass sie schnell und gewitzt antworten. Gleichzeitig wollen wir nicht, dass sie „schlechte“ Inhalte aus der Kommunikation mit Besucher*innen erlernen. Das macht sie zu sehr betreuungsintensiven Objekten, doch überraschen und belohnen sie uns bisweilen mit ihren Reaktionen: So einfach beleidigen lässt sich Nadine nicht, sie ist bisweilen philosophisch und gewollt witzig.
Menschenähnliche Roboter haben es demnach schwer, weil wir so hohe Erwartungen an sie haben. Nicht zuletzt liegt das daran, weil sie wie starke KIs erscheinen, es aber bei Weitem nicht sind. Ihre äußere Gestalt verleitet Menschen dazu, ihnen mehr Fähigkeiten zu unterstellen, als sie besitzen. Wie menschlich sie auch aussehen mögen, sie handeln und „denken“ in den Kategorien, die wir ihnen geben; dabei von Intelligenz zu sprechen, wäre absurd. Alles, was sich berechnen lässt und Präzision erfordert, können Roboter ausgesprochen gut. Auch schon als genuin menschlich angenommene Fähigkeiten wie Kreativität lassen sich recht gut simulieren. Doch Roboter benötigen dafür vorgegebene Muster und die Hilfe des Menschen.
Künstlich-intelligente Systeme können mittels maschinellen Sehens und Sensorik die Emotionen ihrer menschlichen Gegenüber zumindest ein Stück weit wahrnehmen. Und da Emotion vielmals nicht mehr als situationsbedingtes Handeln ist, lässt sich diese Fähigkeit durchaus in robotischen Systemen implementieren. Ob die Anwendungsfälle dafür ethisch vertretbar sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Tatsache ist aber, dass Roboter – auch wenn sie vermeintlich etwas in dieser Art zeigen können – selbst keine Gefühle empfinden. Denn dafür bräuchten sie ein eigenes Bewusstsein. Dass Roboter all das nicht haben und können, ist auch gut so; schließlich wäre alles andere doch recht gruselig und würde eher einem Science-Fiction-Szenario entsprechen.
Bis Menschen und Roboter problemlos sozial interagieren können, bleibt noch viel zu tun. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir dadurch viel über das menschliche Sein lernen können. Über den Umweg Robotik wird also auch die Forschung vorangetrieben, um den Menschen besser zu verstehen. Zudem ist zu entscheiden, wer welche Hilfe leisten kann oder braucht; die Doppeldeutigkeit der Frage im Titel dieses Beitrags ist daher kein Zufall. Durch den Einsatz von Robotern im Museum können viele der oben genannten Überlegungen aufs Tapet gebracht und Mensch-Maschine-Interaktion sowohl analysiert als auch erprobt werden.
