Snap Your Identity: Ich-Konstruktionen in der digitalen Welt
23. August 2019 | Dr. Justin Hoffmann
Plattformen wie der 2011 gegründete Instant-Messenger Snapchat haben tagtäglich rund 100 Millionen Nutzer*innen, die sich insgesamt bis zu 10 Milliarden Snaps anschauen. Hinter einem Snap versteckt sich ein kleines Video oder ein Foto von sich selbst, das optimiert mit verschiedenen Filtern von Tieren oder Phantasiefiguren an Freund*innen verschickt wird und das sich nach zehnsekündiger Betrachtungszeit von selbst löscht. Veränderte Selbstdarstellungen sind also längst populär geworden und gerade in der Jugendkultur fest verankert. Hinzu kommen Smileys und Emoticons, die scheinbar jede Gefühlslage in einfachen kleinen Bildchen übermitteln können und die digitale Kommunikation extrem vereinfachen und manchmal sogar erleichtern.
Doch die bunten und spaßig daherkommenden Filter bergen auch ihre Schattenseiten. Oft ist nicht genau bekannt, welche Zusatzdaten bei Nutzung dieser Animationen noch abgespeichert werden. Die Mitte Juli vor allem bei Instagram-Posts angewandte Applikation Face App, die die auf Bildern abgebildete Person mit Hilfe von KI in ihrem Erscheinungsbild um Jahre altern lässt, ist beispielsweise höchst umstritten was den Datenschutz anbelangt. Unklar ist einerseits, ob die App bei der Nutzung sämtliche Bilder auf dem Smartphone abruft oder wirklich nur das durch den Nutzenden hochgeladene Bild verwendet, um darauf den entsprechenden Filter zu legen. Ungewiss ist darüber hinaus auch, wie lange das hochgeladene Bild auf den Servern des russischen Anbieters abgespeichert wird. Zwar konnten durch ein Statement des Unternehmens einige der Zweifel in der Zwischenzeit relativiert werden, ein bitterer Beigeschmack aber bleibt. Schließlich beziehen sich diese versteckten Mechanismen nicht nur auf diverse Apps, sondern reichen von der allgemeinen Nutzung eines Smartphones über andere smarte Techniken bis hin zu Social Media, wovon mittlerweile fast alle Menschen oder zumindest ziemlich viele Gebrauch machen.

Die neue Ausstellung „Snap Your Identity“ im Kunstverein Wolfsburg hat dies zum Anlass genommen, sich kritisch mit digitalen (Selbst)darstellungsmöglichkeiten und -praktiken zu beschäftigen. Dabei geht es darum, die Beziehung zu Identität oder dem eigenen Körper im Digitalen, also um die Beziehung zwischen Mensch und Maschine, zu hinterfragen. Dazu wurden vier international tätige junge Künstler*innen eingeladen, die Arbeiten zum Thema im Schloss Wolfsburg zu präsentieren. Martina Menegon etwa stellt die Instabilität des menschlichen Körpers dar, indem sie es mit einer VR-Anwendung ermöglicht, menschliche Körper unnatürlich zu strecken und diese zu deformieren. Sven-Julien Kanclerski thematisiert die Verwendung von Piktogrammen und Emotikons in der individuellen Kommunikation. Mit digitalen Technologien können aber nicht nur Identitäten verändert werden, sondern sie ermöglichen es auch, auf eine bisher unbekannte Weise Identitäten zu bestimmen. Manja Ebert präsentiert eine Installation, bei der das Facetracking-Netz auf dem Gesicht des Betrachtenden sichtbar wird und kreiert so eine unheimliche Spannung zwischen Selbstbeobachtung und Fremdüberwachung. Johanna Reich bearbeitet Ton vor der Kamera einer Face-Detection-App bis das Geknetete als Gesicht identifiziert wird und fordert so die Grenzen der künstlichen Intelligenz heraus.
