Ein kurzer Bericht zur LINK-Tagung am 15. und 16. Mai 2019 – Teil 1
17. Mai 2019 | Dr. Tabea Golgath
165 Gäste + 7 Vorträge + 6 Workshops mit 12 Sprechern + viele Fragen, Antworten und Anwendungsbeispiele = mehr als genug Futter für Millionen von Neuronen – künstliche und menschliche. So ungefähr lassen sich die zwei intensiven Tage der LINK-Tagung zu KI und Kultur in Hannover beschreiben.
Mit großer Vorfreude reisten am Morgen des 15. Mai 2019 die 165 Tagungsteilnehmer an und wurden von der Generalsekretärin der Stiftung Niedersachsen Lavinia Francke und dem Moderator Jan Ehlert von NDR Kultur begrüßt und zu einer Forschungsreise eingeladen. KI und Kultur – kann das zusammen funktionieren? Wenn es Zweifel gab, dann wurden sie nun durch die Beiträge, offenen Fragen der Teilnehmer und den regen Austausch auch abseits der Veranstaltungen ausgeräumt.
Prof. Dr. Ralph Ewerth legte mit seinem Vortrag zu maschinellem Lernen und seinen Potenzialen eine Grundlage für all die Kulturschaffenden im Plenum, denen die Methoden von KI noch nicht viel sagten.
Dr. Manuela Lenzen sprach mit ihrem Beitrag vor allem denjenigen aus der Seele, die aufgrund des aktuellen Hypes um KI in den Medien der Technik eher misstrauisch gegenüberstehen. Sie wies deutlich auf die Grenzen der „Verwirrungsmaschinen“ hin ohne gleichzeitig deren besondere Fähigkeiten zu schmälern.
Holger Volland riss das Publikum durch seinen sowohl substanziellen, als auch begeisternden Vortrag mit und erstaunte so manchen Künstler und Literaten durch Hinweise auf kulturelle Produkte von KI. Die Dramaturgie der Vorträge entwickelte sich von einer allgemeinen Einführung hin zu kulturellen Anwendungen.
Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger erstaunte durch die praktische Einbindung von Musikbeispielen am Klavier und zeigte so seine Expertise nicht nur für grundlegende Theorien zu Computer-Kreativität, sondern auch deren Anwendung auf realen Musikinstrumenten. „Computer können nicht kreativ sein im Sinne eines Menschen, aber sie können Kreativität simulieren.“ Die Frage nach dem Urheberrecht für autonom gestaltete kulturelle Produkte beantwortete Prof. Dr. Fabian Schmieder auf unterhaltsame und typisch juristische Weise, indem er sich die Beispielfälle genau anschaute und neben dem Gesetzestext auch gerichtliche Entscheidungen zu Rate zog. Wenn der Gesetzgeber Zufallsprodukte wie beim Bleigießen nicht schützt, was sagt das über manches künstlerische Produkt? Ist eine Inspiration auch Zufall?
Ein für viele Zuhörer überraschender und faszinierender Beitrag kam von Prof. Dr. Jürgen Handke zu den Möglichkeiten der Einbindung von Robotern in die Hochschulbildung. Die klassische Hochschullehre als Frontalunterricht ist mit dem Einsatz von Robotern schwer vereinbar, denn er kann die Dozenten nicht mit Mehrwert ersetzen oder ergänzen. In einer modernen Hochschulbildung mit digitalen Unterrichtsmethoden und Lernkontrollen jedoch kann ein Roboter als Werkzeug und Partner eingesetzt werden. Offensichtlich faszinierte besonders die Anwendungsmöglichkeit einer Roboter-Sprechstunde, bei der das maschinelle Gegenüber den Studierenden mit gleichbleibender Geduld berät, nachhakt und Hilfestellung anbietet. An der Universität Marburg wird diese Möglichkeit mit dem Roboter Yuki der Firma Pepper rege genutzt. In vielen Kulturbereichen lässt sich aus dem Project H.E.A.R.T. lernen, denn Vermittlung spielt in allen Kultursparten eine elementare Rolle.
Lukas Brand, katholischer Theologe und Maschinenethiker schloss mit seinen Fragen zu Maschinen als moralische Akteure den Vortragsreigen des ersten Tages ab. Die Frage nach der moralischen Verantwortung oder strafrechtlichen Schuld von KI-Einheiten ist eine zentrale Problematik des Themenfeldes. Die Künstlerin Helen Knowles hat das in ihrem Film um ein Gerichtsverfahren gegen einen Bot bereits thematisiert (siehe Ausstellung „Artistic Intelligence“ im KV Hannover). Wenn wir Algorithmen immer mehr eigene Entscheidungen zugestehen und damit unsere Aufgaben und Verantwortung auf sie übertragen, sind sie dann auch selbst moralisch verantwortlich? In nicht allzu ferner Zukunft werden Klimakontrollen in Museen oder die Recherche in Objektdatenbanken an Algorithmen abgegeben sein. Wen machen wir verantwortlich wenn Objekte oder Menschen zu Schaden kommen oder die Recherche falsche Ergebnisse erzielt?
Inspiriert verteilten sich die Teilnehmer*innen am Ende des ersten Tagungstages nach einer Stärkung auf das reichhaltige Abendprogramm durch den Kunstverein, das Literaturhaus und das Kommunale Kino Hannover. Schier unermüdlich wurden Gespräche geführt, der Lesung von Timo Daum gelauscht, die Ausstellung „Artistic Intelligence“ erkundet oder der Film „Ex Machina“ genossen.
Nach den spannenden Workshops am zweiten Tagungstag, zu denen wir in Kürze auch an dieser Stelle berichten werden, wurden als letzte Session zwei von der Stiftung Niedersachsen angestoßene Pilotprojekte mit Florian Kluger vom Institut für Informationsverarbeitung der Leibniz Universität Hannover und den beiden Kompositionsstudierenden Philipp Henkel und Farhad I. Husseini von künstlerischer und technischer Seite vorgestellt. Es zeigte sich, dass durch die Flexibilität der Protagonisten in der Zusammenarbeit und die intensive vorbereitende Kommunikation die unterschiedliche Arbeitsweisen kein Problem darstellten. Philipp Henkel präsentierte einen Zwischenstand der gemeinsam mit Florian Kluger entwickelten Idee einer begehbaren Rauminstallation, in der der Besucher von einer Kamera erfasst wird und je nach Position im Raum durch seine Präsenz Musik erzeugt. Hier kommen in der Technik sowohl Algorithmen zur Personenerkennung als auch zum Object Tracking zum Einsatz, als auch Musikvariationen basierend auf dem GANSynth von Google Magenta. Das Projekt von Farhard I. Husseini und Florian Kluger kombiniert Gesichtserkennung und Sprache und transferiert diesen Input in Sound. Farhad Husseini erklärte, Kunst bestehe aus Fehlern und Fehler machen Künstler*innen kreativ. Um den Algorithmus zu Fehlern zu zwingen, legte er in der Gesichtserkennung zwei Gesichter übereinander. Das Ergebnis war eine visuell und auditiv faszinierende Arbeit.
Der interdisziplinäre Austausch zwischen den einzelnen Kultursparten kommt leider oft viel zu kurz. Um so schöner waren die vielen Gespräche zwischen Musikern, Künstlern, Literaten, Museumsvertretern und Data Scientists, die sich auf der Tagung ergeben haben. Wir können viel voneinander lernen und sollten unbedingt weiter im Gespräch bleiben. Die LINK-Tagung war erst der Anfang...
