Digitalwerkstatt Museum - Impulse für Vermittlung, Forschung und Entwicklung – ein Tagungsbericht
25. Oktober 2019 | Dr. Tabea Golgath
Museum 4.0? Ja, Museum4Punkt0! Das Verbundprojekt, vom BKM gefördert, arbeitet mit sechs Teilprojekten über drei Jahre an neuen Wegen der digitalen Vermittlung und Forschung in Museen. Das Portfolio deckt Aspekte der Kunst-, Kultur- und Migrationsgeschichte, der Naturkunde, des Brauchtums und immateriellen Kulturerbes sowie der Technologiegeschichte ab. Neben regelmäßigen internen Treffen luden die Partner die interessierte Öffentlichkeit zu einer Tagung in die ufa-Fabrik Berlin ein. An 2,5 Tagen berichteten die Verantwortlichen aus den Projekten, wurden Experten befragt und unter dem Stichwort „Call for Problems“ Herausforderungen diskutiert, die sicherlich nicht nur ein Museum betreffen.
Eröffnet wurde die Tagung am Abend des 14. Oktober 2019 mit einer Keynote von Gerfried Stocker, dem Künstlerischen Geschäftsführer der Ars Electronica in Linz. Durch die langjährige Erfahrung des Ars Electronica Centers mit digitalen Ausstellungen konnte Stocker teils ernüchternde Erfahrungen im Umgang mit VR und anderen Formaten beitragen. Er vermittelte Enthusiasmus für die digitalen Möglichkeiten, die in Linz eingehend mit einem breiten Zielpublikum getestet werden und unterstrich die große Bedeutung eines kulturellen Beitrags zum technologischen Fortschritt und seinen gesellschaftlichen Folgen. Ohne Kunst und Kultur können Unternehmen schwerlich technische Lösungen entwickeln und gleichzeitig den wichtigen Faktor Mensch berücksichtigen.
In den folgenden zwei Tagen lauschten 300 Tagungsgäste den Beiträgen der internationalen Sprecher, wurden in Workshops herausgefordert, konnten sich in Diskussionen beteiligen und lernten in Werkstattgesprächen über die im Rahmen von Museum4Punkt0 entwickelten Produkte oder Studien. Teilweise war das Programm so dicht gepackt, dass man sich schwer entscheiden konnte, an welchem Format man teilnehmen sollte.
Besonders positiv ist mir der Beitrag der schwedischen Museumsberaterin Kajsa Hartig aufgefallen. Gut strukturiert und substanziell erklärte sie die Bedeutung der Berücksichtigung der Visitors Journey digital UND analog. Was fühlen/erleben die Gäste ab dem ersten Kontakt mit dem Museum? Was davon ist beabsichtigt und was könnte verbessert werden? Es scheint ein internationales Phänomen zu sein, dass Museen eher Verwaltungseinheiten ähneln als agilen Unternehmen, dabei wäre dies ausgesprochen hilfreich für schnelle Entscheidungen und Aktionen/Reaktionen.
Kennzeichen agiler Arbeitsweisen:
- Kurze Entwicklungszyklen für neue Produkte (Ausstellungen, Print-, Digital-Formate,...)
- kleine Teams, die aus der eigenen Komfortzone kommen
- zügige Entwicklung von Prototypen und Nutzungstests, so dass nur ein Teil der Ressourcen für einzelne Elemente ausgegeben und diese nach Tests optimiert werden können.
In den Beiträgen wurde deutlich, dass sich nicht nur die Inhalte der einzelnen Museumsgattungen unterscheiden, sondern auch der Umgang mit Daten. Währen viele kulturgeschichtliche Museen sich große Gedanken um Urheberrechte und mögliche Nutzungen ihrer Daten machen, vertreten Naturkundemuseen den Standpunkt: Wir kommen in der Forschung nicht voran, wenn wir unsere Bestände, Daten und Ergebnisse für uns behalten. Die Daten müssen in große Portale eingespeist werden, damit Andere sie finden und damit weiterarbeiten können. Ähnlich progressiv und trotzdem DSGVO-konform lässt sich mit anonymisierten Besucher*innendaten für personalisierte Führungen oder die Besucher*innenforschung vorgehen. Das Team von Schloss Langenstein konzipiert einen prototypischen, interaktiven Museumsparkour. Durch ein Guidesystem und Storytelling-Elemente wird ein intuitives Lernen ermöglicht. Die Gäste beantworten am Anfang der Ausstellungen mehrere Fragen und wählen einen Avatar aus, durch den der Rundgang auf sie zugeschnitten werden kann. Durch den Verzicht auf persönliche Daten wie Geschlecht, Alter etc. sind die Daten anonym und ihre Nutzung unproblematisch.
Alles in Allem eine großartige Tagung zu der es unter #dwm19 bei Twitter viel lohnenswerten Lesestoff gibt.
