Künstliche Intelligenz – stark oder schwach?

1. Februar 2019 | Kevin Raetz

Die öffentliche Meinung zum Thema Künstliche Intelligenz ist äußerst divers: Während einige dramatische Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und damit auch für unsere Gesellschaft befürchten, sehen andere dem Potenzial von KI eher hoffnungsvoll entgegen. Wiederum andere stehen zwischen den Lagern und ergehen sich, sollte das Thema aufkommen, in oft nicht unbedingt ernstgemeinten Dystopien, die sich an popkulturelle Erzeugnisse anlehnen. Fakt ist: In den meisten Fällen mangelt es an fundiertem Wissen und echten Erfahrungswerten im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Dies ist weniger dem Unvermögen des Einzelnen zuzuschreiben, als dem allgemein bislang unzureichenden Erkenntnisstand des gesamten Themenfelds. Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in Wirtschaft, Industrie, Gesellschaft und Kultur wird in den nächsten Jahrzehnten noch ungeahnte Erkenntnisse und Anwendungsmöglichkeiten hervorbringen.

 

Um ein erstes Verständnis zu erlangen, möchte ich eine Definition von KI versuchen und den elementaren Unterschied zwischen starker und schwacher KI erklären.

Der Begriff KI fasst die Bereiche

-    Robotik
-    wissensbasierte Expertensysteme wie z.B. ein digitaler Arzt
-    Mustererkennung z.B. in der Gesichtserkennung oder Datenanalyse
-    Sprachverarbeitung wie bei Übersetzungsprogrammen

und vieles mehr zusammen. In fast allen Bereichen spielen Maschinelles Lernen und Neuronale Netze eine tragende Rolle. Diese Netze nehmen unterschiedlichen Input auf, verarbeiten ihn und reagieren darauf in trainierter Weise. Wir sagen KI und meinen viele verschiedene „Werkzeuge“.

 

In Science-Fiction-Filmen und -Romanen wird beim Thema KI vor allem eine starke KI vermittelt. Egal ob der Film-Klassiker der künstlichen Intelligenz, der „Terminator“, oder „Jarvis“, die künstliche Alleskönner-Intelligenz, welche in „Iron Man“ dem Filmhelden Tony Stark zur Seite steht: Sie zeichnen sich alle durch logisches Denkvermögen, eigene Entscheidungsfähigkeit, eine Lern- und damit auch Planungsfähigkeit aus. Außerdem haben sie eine Eigenschaft, die sie wirklich zu einer „starken KI“ werden lässt: die Fähigkeit, ein übergeordnetes, strategisches Ziel zu verfolgen. Hierbei interagieren sie vollumfänglich mit ihrer Umgebung und reagieren auf sich verändernde Umstände.

Eine schwache KI ist ausschließlich fähig, konkrete Aufgaben zu erledigen, deren Lösung sie zuvor gelernt hat. Dies bezieht sich zum Beispiel auf die Analyse von Dokumenten, das Übersetzen eines Textes oder die Erstellung von Bildüberschriften auf Basis der Bildinformationen. Sie kann nicht eigenständig neue Fähigkeiten oder neues Wissen erlernen und ist bei abweichenden Bedingungen schnell überfordert. Für viele Anwendungen von KI ist „maschinelles Lernen“ notwendig. Durch die intensive Übung in Form von Ausschlussverfahren lernt die KI auch mit Situationen im Rahmen ihrer Aufgabenstellung umzugehen und die Fehlerquote der späteren Transferleistung in der Praxis wird geringer. Eine geometrische Form wird als solche erkannt, auch wenn sie andersfarbig ist als die Trainingsbeispiele. Je größer die Datenbasis (auch durch Wahrnehmungssensoren) ist, umso korrekter kann das Ergebnis werden. KIs werden darauf trainiert, Muster zu erkennen. Die Transferleistung von den Trainingsdaten auf Testdaten bzw. reale Situationen ist der eigentliche Intelligenzbeweis.  [Mehr zur Intelligenz der Maschinen im Blogpost „KI – ein Produkt des 21. Jahrhunderts?”]

Vogel | © Paulo Brandao | unsplash.com

Ist ein System beispielsweise darauf trainiert, zwischen Hunden und Katzen zu unterscheiden, müssen wir zwangsläufig ein falsches Ergebnis erwarten, wenn wir dem System ein Bild von einem Vogel präsentieren. Der Vogel wird automatisch einer dieser Kategorien zugeordnet, denn das Konzept Vogel existiert nicht in dem Verständnis dieser KI – sie hat nur gelernt, zwischen Hunden und Katzen zu unterscheiden. Die Fehlersuche und -behebung obliegt also weiterhin dem Menschen und somit auch die Fähigkeit, selbstständig aus Fehlern zu lernen und Anpassungen vorzunehmen. An dieser Stelle kann sich eine eigene Diskussion um die Frage von gravierenden Konsequenzen solcher Fehler im Alltag entspinnen. Eine schwache KI ist also stark limitiert und entspricht daher kaum dem allgemeinen Verständnis von „Intelligenz“.

 

Fakt ist: Es gibt bereits unzählige Anwendungen von KI in unserem Alltag. Fakt ist auch: Es handelt sich dabei ausschließlich um Anwendungen „schwacher KI“ – was die einzelnen Ergebnisse nicht weniger beeindruckend macht. Doch die bisher existierenden KI handeln immer anhand eines vorgegebenen Musters und setzen menschliche Hilfe voraus. Es werden jeweils aus einer großen Datenmenge verschiedene Varianten und Parameter abgeleitet, die wiederum auf neue Daten angewendet werden können. Es entsteht in erster Linie nichts originär Neues, sondern lediglich Abwandlungen und Interpretationen.

 

Ob und wie Computer selbstständig kreativ sein können, diskutieren wir zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle. Schicken Sie uns gern Ihre Fragen und Kommentare!

Autor des Beitrags
Kevin Raetz
Ignaris UG
Data Scientist & Machine Learning Engineer